Im Thronsaal

[30.03.323 nc]

Der alte Herr – ein Gelehrter im Dienste des Königs – rannte trotz seines hohen Alters die Stufen hinauf zum Thronsaal. Im Arm hielt er alte Bücher, im Schlepptau eine Feder.
Die Wachen, die vor dem Saal stationiert waren, sahen den Mann auf sich zu rennen und hielten ihre Lanzen überkreuzt.
„Aus dem Weg, ihr Banausen! Ich muss mit dem König reden!“ rief der alte Mann, empört über diese respektlose Behandlung, die junge Männer einem alten Sack präsentierten.
„Ich habe die Prophezeiung endlich übersetzen können! Er muss darüber in Kenntnis gesetzt werden!“

Die Blicke der Wachen begegneten sich kurz skeptisch, doch als ein genervtes "Nun lasst ihn schon passieren, bevor er noch lauter wird." erklang, ließen sie den Gelehrten passieren.
Die Tore zum Thronsaal waren bereits geoeffnet. Ein breiter, roter Teppich fuehrte durch einen riesigen, geschmueckten Saal, an dessen Ende ein prunkvoller Koenig thronte.
"Euer Gebruell weckt selbst einen schlafenden Baeren, Gelehrter. Erzaehlet mir, was Ihr entdeckt habt."

Endlich wichen die Soldaten zurück und rollten mit den Augen.
Der Gelehrter hob eingeschnappt den Kopf und trat in den Saal ein. In der Tür verbeugte er sich, ging einige Schritte, bis er direkt vor dem Thron stand und verbeugte sich nochmals.
„Eure Majestät, verzeiht bitte die Störung.“ entschuldigte er sich höflich und wartete bis er aufgefordert wurde, den Kopf zu heben, nur um dann fortzusetzen:
„Ich habe die Prophezeiung endlich übersetzen können. Ich weiß was sie verlangt. Ich sollte Euch davon in Kenntnis setzen.“

Der Koenig hob eine Augenbraue. "Habt Ihr das?" Ein Schmunzeln konnte er sich nicht verkneifen. Nicht im Traum haette er gedacht, das dieser alte Nichtsnutz je irgendetwas entziffern wuerde. Kaeme er nicht aus einer wohlhabenden Familie, haette er ihn wohlmoeglich bereits auf die Straße gesetzt. Und doch stand er nun vor seinem Throne und hatte eine Entdeckung zu bekundigen. "Nun gut, Gelehrter. Lasset kein Detail aus, ich bin mir sicher, Eure harte Arbeit wird bedeutsam gewesen sein."

Der Gelehrte dachte sich seinen Teil.
Natürlich hätte der König sich kaum für die Prophezeiung interessiert, wenn er selbst es nicht gewesen wäre, ihn beinah angefleht zu haben, diese übersetzen zu dürfen. Er selbst hatte viele Jahre hinter sich und kannte sich mit sowas bestens aus. Da wäre zum Beispiel die Prophezeiung von einem alten Freund aus einem anderen Land, weit weg von Tsuihou, der eine Naturkatastrophe vorhergesagt hatte. Alles hatte gestimmt. Jenes Land gab es nicht mehr und sein Freund blieb verschollen, was ihn traurig stimmte. Er nickte, als der König ihn aufforderte und war sich sicher, seine Aufmerksamkeit gehabt zu haben.
„Ich habe sehr viel Arbeit investiert. Es wurde in einer alten Sprache geschrieben, fernab von der Existenz unseresgleichen. Die Sprache war sehr alt, mehrere Einhundert, vielleicht sogar tausend Jahre. Sie beschreibt die Katastrophe, die vor 323 Jahren geschah. Der Meteor, der auf Tsuihou fiel... Die wilden Zonen... Dort steht alles beschrieben!“ Er gestikulierte wild mit der freien Hand und wirkte sehr aufgeregt. So etwas hatte er schließlich noch nie erlebt. Stets hatten sie sich gefragt, wieso die Mauern gebaut wurden, warum ihre Magie sich der von den Wilden unterschied. Niemand wusste eine Antwort. Doch dank der Prophezeiung, auf Stein gemeißelt, hatten sie endlich eine heiße Spur.
„Hier steht aber auch geschrieben, das noch weitere Katastrophen geschehen würden. Einzig tapfere Krieger können diese vielleicht verhindern.“ erklärte er und schluckte leicht.
Er hoffte, das es für den König verständlich gewesen war.

Der Koenig lauschte. Wieder einer von diesen Weltuntergangs-Spinnern. Er war drauf und dran aufzuseufzen. "Habt Ihr herausgefunden, um welche Art von Katastrophe es sich handelt?

„Ja, Eure Majestät.“ antwortete der alte Herr und neigte den Kopf etwas zu Boden.
„Die Katastrophe könnte so verheerend sein, das sie den ganzen Kontinent vernichten könnte. Der Meteorfall war nur der Anfang. Und durch ihn sind scheinbar diese wilden Zonen entstanden. Die Trennung von unserer Magie zu gebändigter und wilder Magie. Wir wissen zwar noch nicht, wann genau das alles passieren soll. Aber wenn wir Krieger schicken, die nach dem Meteorkern suchen, könnten wir vielleicht dieses Unheil verhindern.“ erklärte er und wirkte dabei beherrscht ruhig.

"Meteorkern...", ueberlegte der Koenig. Was der alte Quacksalber erzaehlte war ihm so ziemlichst egal; er glaubte nicht an solchen Humbug. Prophezeihungen, Orakel, Hellseherei. Alles ketzische Veranlagungen! Doch der Meteorkern interessierte ihn. Wuerde er vielleicht die koeniglichen Kassen wieder fuellen koennen? In letzter Zeit war der Monarch viel zu spendabel gewesen, was sich in den Schatzkammern durchaus bemerkbar machte: Noch konnte er das Koenigreich finanziell ueber Wasser halten, doch wie sah es in einem oder zwei Jahren aus? Die letzte Ernte war miserabel, um es freundlich auszudruecken, und wenn die Naechste wieder so schlecht ausfaellt...
"Ich denke, ich habe genug gehoert, werter Gelehrter." Er setzte sein bestes Laecheln auf, bedacht darauf, den Gelehrten fuer sich zu gewinnen. Bei einem lukrativen Geschaeft musste man manchmal Interesse vortaeuschen.
Er ueberlegte kurz. Wen konnte er entbehren? "Wachen! Lasset den derzeitig anwesenden General zwei Soldaten fuer einen bedeutenden Auftrag aussuchen! Er solle sie zu mir schicken!"
Des Koenigs Wachen und der General wussten sofort, was mit bedeutend gemeint war: Sucht kompetente Soldaten, die im Notfall entbehrlich sind.

Eine der Wachen die beordert wurde die Soldaten ausfindig zu machen war eine dem Prinzen treue Wache und sollte ihn im Falle solcher Ereignisse umgehend benachrichtigen.
So machte er sich auch gleich auf zum Trainingsplatz des Prinzen, da dieser sich zu dieser zeit des Tages dort befand und alleine trainierte.
Nach kurzem Wege erreichte die Wache auch bereits ihr Ziel.
"Mein Prinz, entschuldigt die Störung. Ich sollte euch benachrichtigen sobald es Neuigkeiten gäbe."
Der Prinz legte das Schwert kurz beiseite und sah zu seiner treuen Wache.
"Dann berichte."
Der Ton des Prinzen war zwar auffordernd, jedoch keinerweise arrogant, sondern nur interessiert was es wohl Neues gab.
"Der alte Gelehrte hat die Prophezeiung übersetzt und nun sollen Leute ausgeschickt werden den Meteoritenkern zu suchen."
Er berichtete noch die weiteren Details die er mitbekommen hatte und wartete darauf dann Befehle vom Prinzen zu erhalten.
Der Prinz war positiv angetan davon, dass es wieder eine Möglichkeit selbst ein wenig ins Geschehen einzugreifen.
"Danke für den Bericht. Den Rest übernehme ich selbst."
"Wie ihr wünscht, mein Prinz."
Die Wache verabschiedete sich und ging seiner eigentlichen Aufgabe nach.
Der Prinz dagegen ging zu seinem Zimmer zu einem seiner speziellen Briefraben und schrieb eine Botschaft an einen seiner "Unergebenen".

Kaoru wurde zum Thronsaal geführt. Bevor sie eintreten konnte, wurde sie erst einmal genaustens überprüft, ehe die Soldaten sie passieren ließen.
Sie hörte Schritte und sah kurz einen weiteren Krieger, hellbraunes längeres Haar, ehe sie den Blick abwandte und voran schritt.
Vor dem Thron stand der Gelehrter der auf sie zu warten schien und Kaoru kniete nieder.
"Ihr habt gerufen, mein König?"

Der Koenig gaehnte gerade, als auch endlich der zweite Soldat eintrat. Aber was war das? Eine Frau! Pah. Nun gut, der General wuerde wissen was er tut, also ließ er diese Tatsache auf sich beruhen. Die geschickten Soladaten standen vor seinem Thron. Der Koenig mustert sie kurz, bevor er zu sprechen beginnt. "Ihr wurdet also ausgewaehlt. Euch steht ein wichtiger Auftrag bevor. Bevor Euch unser Gelehrter ueber die Einzelheiten informiert mochte ich Euch allerdings an strikte Diskretion erinnern." Er nickt zum Gelehrten. "Sprecht, Gelehrter."

"Wie ihr wünscht mein König." Der Gelehrte berichtete dann den beiden Soldaten von der Prophezeiung und dem daraus folgenden Auftrag den sie zu bewältigen zu hatten. Er wies sie auch mehrmals auf die äußerste Wichtigkeit ihres Erfolges hin, da ihr aller Leben seiner Meinung nach davon abhängen könnte.
Nachdem der Gelehrte ausgesprochen und alles Notwendige erklärt hatte, wurde gefragt ob bei den beiden Soldaten noch Fragen bezüglich des Auftrages offen blieben.

"Wenn ihr mir erlaubt zu sprechen. Bei einem Auftrag bezüglich des Bergung eines Objektes unbekannter Form und Größe, was wird uns dafür an Ausrüstung und Ressourcen zur Verfügung gestellt?"
Da Ou Mori wusste, dass er sich wohl vor diesem Auftrag nicht drücken könnte, begann er direkt mit einer Art Planung des Unterfangens. Er hoffte das ihnen zumindest einige Mittel zur Verfügung gestellt würden, ansonsten müsste er auf die eigenen Möglichkeiten zurückgreifen müssen.

Der Koenig ueberlegte kurz. Natuerlich musste er etwas investieren, aber er wollte die Ausgaben auf ein moeglichstes Minimum begrenzen. "Wendet Euch an meinen Kaemmerer, er wird Euch ausreichend Ausruestung und Proviant zur Verfuegung stellen", antwortete er. "Ihr werdet zum naechsten Morgengrauen aufbrechen, bereitet Euch also gut vor. Nun denn, Ihr duerft wegtreten."